NL Demenz und Corona | Hilfreiches aus der Beratung | 30.04.2020

Die Beratung der Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg bleibt erreichbar:

Telefon 0711 24 84 96-63 

Mail beratungalzheimer-bwde


Umgang mit Alltagsmasken bei Demenz

"Mein Mann weigert sich, einen Mundschutz zu tragen. Kann ich ihn jetzt nicht mehr zum Einkaufen mitnehmen?"

"Wie soll ich denn bloß anderen erklären, dass meine Mutter einfach nicht versteht, dass sie den Mundschutz tragen muss?"

"Aus dem Pflegeheim höre ich, dass mein Vater niemanden erkennt, der einen Mundschutz trägt. Das macht ihm einfach Angst."

In den Telefonaten mit Angehörigen, die sich an das Beratungstelefon der Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg wenden, erfahren wir täglich, wie belastend die aktuelle Situation für Angehörige von Menschen mit Demenz ist.

Die seit Ende April geltende Verpflichtung zum Tragen von Alltagsmasken führt zu großen Problemen. Menschen mit Demenz verstehen die neue Regelung nicht, wollen die Masken nicht tragen und sind durch den Anblick vielfach äußerst beunruhigt. Wie kann man dennoch versuchen, Alltagsmasken einzusetzen?

Die Ausgangslage

Seit dem 27. April 2020 ist das Tragen von Alltagsmasken, die Mund und Nase bedecken, beim Einkaufen und in den öffentlichen Verkehrsmitteln, verpflichtend. Die Maske ist in erster Linie ein Schutz für andere und nicht für den Träger selbst. Um den Träger zu schützen, stehen die Einhaltung der Abstandsregeln und regelmäßiges, hygienisches Händewaschen weiterhin im Vordergrund.

Die derzeitige Situation mit vielen Regeln, Einschränkungen und auch dem Tragen von Mund-Nasen-Schutzmasken ist für Menschen mit Demenz sehr verunsichernd. Sie können die Notwendigkeit nicht verstehen oder die erhaltenen Informationen nicht im Gedächtnis behalten und sind stetig aufs Neue damit konfrontiert. Für sie ist die Umwelt befremdlich, Routinen sind unterbrochen, das aktuelle Geschehen können sie nicht einordnen. Es entstehen Ängste, Unruhe und Sorgen, die sich in verschiedenen Verhaltensweisen der Betroffenen äußern. Daher ist es umso wichtiger, Menschen mit Demenz Normalität, Sicherheit und Ruhe zu vermitteln, auch im Umgang mit dem Tragen von Schutzmasken.

Einsatz von Alltagsmasken – Tipps und Anregungen

Es ist nicht grundsätzlich davon auszugehen, dass sich Menschen mit Demenz an eine Maske, an die spezielle Handhabung und den richtigen Umgang damit ‚gewöhnen‘. Die folgenden Hinweise können dennoch hilfreich sein, um die Akzeptanz eines Mund-Nasen-Schutzes – vielleicht über kleinere Zeitspannen – zu erhöhen.

Sicherheit und Ruhe durch gute Vorbereitung

  • Auswahl der Maske/des Mund-Nasen-Schutzes nach Vorlieben der Menschen mit Demenz (Art, Design, möglichst mit einfacher Handhabung mit Gummi, nicht zum Binden) 
  • Möglicherweise wird ein schönes Tuch/ein Schal besser akzeptiert?
  • Werden die Masken selbst genäht oder gekauft, können die Betroffenen zum Beispiel die Farbe oder das Muster auswählen und beim Herstellen einbezogen werden. Masken aus weichen, freundlichen Stoffen wirken weniger befremdlich als Einwegmasken.
  • Die Masken sollten gut angepasst werden, damit das Tragen keine unangenehmen Gefühle verursacht (bei Gummizug auf Hörgeräte achten).
  • Für Brillenträger ist das Tragen einer Maske durch das Beschlagen der Gläser besonders schwierig.
  • Zu enge Masken können zu Hitze- oder Engegefühl, erschwertem Ein- und Ausatmen führen. Folgen sind Übelkeit, Unruhe und auch herausforderndes Verhalten.

Normalität und Gelassenheit vermitteln

  • Mit der eigenen Maske umgehen, als sei es ‚das Normalste der Welt‘: Vorbild sein, vormachen und mitmachen lassen.
  • Selbstverständlichkeit übermitteln: „Alle tragen das jetzt.“ Immer wenn man aus dem Haus geht: Schuhe, Jacke, ‚Gesichtsschal‘ an, sozusagen als ‚Eintrittskarte‘ für den Bus, den Supermarkt – Mit Humor geht bekanntlich vieles besser.
  • Es ist wichtig, (sich selbst) keinen Druck zu machen, wenn ein Betroffener eine Schutzmaske anziehen soll – man kann das Tragen nicht erzwingen! Die Betroffenen spüren diesen Druck über ihre ‚feinen Antennen‘ und reagieren möglicherweise abwehrend.

Verweigert ein Mensch mit Demenz das Tragen in der Öffentlichkeit komplett

  • sollte, soweit möglich, der Besuch von Geschäften und die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln vermieden werden
  • helfen Verständniskärtchen mit dem Hinweis, dass die/der Betreffende eine Demenz hat, im Bus oder Supermarkt etc. Die Kärtchen können bei der Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg bestellt werden
  • können Menschen mit Demenz, die ohne Maske einkaufen gehen oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, rechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden.

Besondere Hinweise für Betreuungspersonen/Pflegepersonal

Die gesamte Tagesgestaltung und das aktuelle Befinden von Menschen mit Demenz spielen eine große Rolle. Eine ausgeglichene Stimmung erhöht den Erfolg, dass Pflege-/ Betreuungskräfte mit Gesichtsmaske toleriert werden oder gar das Tragen einer eigenen Maske erlaubt wird. Dafür ist es nötig, dass Menschen mit Demenz durch ihren Alltag gut und sicher begleitet, beschäftigt und geduldig gewährend behandelt werden.

Sind Menschen mit Demenz von vornherein schon unruhig und unausgeglichen, wird es kaum gelingen, ihnen eine Maske anzuziehen, bzw. eine Betreuungskraft mit Maske wird sie noch mehr beunruhigen und verunsichern. Im schlechtesten Fall möchte der/die Betroffene dieser Situation entfliehen und äußert den Wunsch zu gehen.

Menschen mit Demenz können außerdem ihr Gegenüber in der Kommunikation häufig emotional nicht mehr richtig wahrnehmen und einschätzen. Dies wird durch einen den Gesichtsausdruck ‚versteckenden‘ Mundschutz (der Betreuungsperson, der Pflegekräfte) zusätzlich verstärkt, es entstehen Unsicherheit und Ängste.

So unterstützen Sie die Akzeptanz

  • Es kann helfen, Schutzkleidung unter Beachtung der Abstandsregel erst nach der Begrüßung anziehen – der Betroffene erkennt zunächst ein bekanntes Gesicht und kann daraufhin mit der Maske des ‚Besuchers‘ besser umgehen.
  • Soll der Betroffene zum Schutz der anderen (bei Symptomen, Erkältung…) eine Maske tragen, sollten dies auch alle Anwesenden mit Rücksicht auf den Betroffenen tun (siehe Hinweise oben).
  • Eine angenehme Raumtemperatur (nicht zu warm) fördert das Wohlbefinden der Betroffenen.
  • Menschen mit Demenz brauchen Hilfe mit der Maske, insbesondere beim Essen und Trinken (richtiges Abnehmen, Aufbewahren, wieder Anziehen).
  • In kleinen Gruppen, z.B. zur Aktivierung: Begrüßungsritual (z.B. ein gemeinsames Lied), bei dem alle Bewohner/Gäste und Betreuerinnen die persönliche Maske aufsetzen. Auch ein Sitztanz mit integriertem Anlegen der Maske kann genutzt werden (Bewegungsfolge, in der an einem Punkt die Maske mit aufgezogen wird).
  • Schöne Momente schaffen: Immer, wenn die Maske getragen wird, passiert etwas Schönes/machen wir zusammen etwas Besonderes.
  • Eine kleine Challenge daraus machen: „Können wir mit einer Maske zusammen singen? Schaffen wir das?“
  • Wenn Menschen mit Demenz ängstlich reagieren: schräg gegenübersetzen, so dass der Blick nicht frontal auf die Maske fällt und sie so vielleicht weniger (ver-)stört.
  • Langsamer werden, Gesichtsausdruck halten und wirken lassen – hinter einer Maske ist ein Lächeln für Menschen mit Demenz nicht ganz so schnell zu erkennen.

Wenn Betroffene das Anlegen von Masken abwehren, sollte man sofort einlenken bzw. aufhören. Eine Diskussion oder vehemente Überzeugungsversuche verschlimmern die Situation eher, als dass sie helfen. Wenn es nicht gelingt, sollte man dies zunächst akzeptieren und später evtl. noch einmal versuchen.  

Corona: Hilfen und Links

Das Thema Corona beherrscht die Medien. In der Informationsflut ist es wichtig, den Überblick zu behalten und sich auf verlässliche Quellen zu konzentrieren. Wir bemühen uns, die für unseren Bereich wichtigen Informationen zu sichten, zu prüfen und bereitzustellen. Eine Übersicht finden Sie auf unserer Website www.alzheimer-bw.de.